Karrierestillstand – Der Sprung aus dem Goldfischglas
Beispiele aus der Coaching-Praxis
Markus (Name geändert) ist 50 Jahre alt und seit über zehn Jahren Führungskraft im Marketingbereich eines großen Dienstleistungsunternehmens. Er hat viel Zeit in seine Karriere investiert. Sein Lebenslauf liest sich wie der eines Musterschülers: keine Unterbrechungen, tolle Referenzen. Für ihn gab es immer nur ein Ziel, und zwar, die Karriereleiter nach oben zu erklimmen. Sein Beruf ist alles, er lebt für seinen Job. Doch die Kehrseite der Medaille wurde ihm in den letzten Jahren immer mehr bewusst: der hohe Stresspegel im Job, keine Zeit für sich selbst, seine Hobbys und für die Familie zu haben. Oft sitzt er noch spätabends vor dem PC und erledigt Aufgaben, zu denen er tagsüber nicht gekommen ist. Die hohen Erwartungen und der zunehmende Druck lösen in ihm ein unangenehmes Gefühl aus. Doch an Aufgeben ist nicht zu denken, denn schließlich lebt die Familie gut von dem Geld, das er verdient, und die Hypothek ist noch nicht ganz abbezahlt.
Seine Familie hat bereits gelernt, mit der Situation zu leben. Dennoch gab es Zeiten, in denen es große Spannungen zuhause gab und ihm zum Vorwurf gemacht wurde, keine Zeit für die Familie zu haben und nur an seine Karriere zu denken.
Markus hat eine strenge Erziehung genossen. Disziplin und Durchhaltevermögen sowie keine Schwäche zu zeigen wurden ihm bereits in jungen Jahren gelehrt. Sein Vater hatte eine große Karriere hingelegt und es lag auf der Hand, dass er in die Fußstapfen seines Vaters treten wird.
Doch so langsam kommen Markus Zweifel, ob sein derzeitiger beruflicher Weg wirklich jener ist, den er weiterhin so fortführen möchte, oder ob es auch noch andere berufliche Perspektiven für ihn gibt.
Schon länger fühlt er sich müde und ausgelaugt und hat seine Freude und Begeisterungsfähigkeit im Job weitgehend verloren. Besonders die vielen konzernbedingten Veränderungen der letzten Jahre machten ihm zu schaffen und trugen zu seiner Unzufriedenheit bei.
Claudia (Name geändert) ist 35 Jahre alt und arbeitet als Führungskraft in einer international renommierten Hotelkette. Seit beinahe 20 Jahren ist sie in der Hotellerie tätig – begonnen als Lehrkraft und hochgearbeitet zum Director of Food & Beverage. Sie ist international viel herumgekommen, hat viel erlebt und unterschiedliche Länder bereist. Doch ihr beruflicher Erfolg hat auch seine Kehrseite: 14 Stunden-Arbeitstage und kaum Zeit für Privates und Sport. Ihre Karriere stand für sie immer an erster Stelle. Nichts war ihr so wichtig wie der berufliche Erfolg. Doch durch einen Führungswechsel an der Spitze des Hotels hat sich einiges im Betrieb zum Negativen verändert. Es gibt kein Wir-Gefühl mehr untereinander und auch das Misstrauen unter den Mitarbeiter*innen ist stark gestiegen. Schon seit Längerem fühlt sie sich gesundheitlich angeschlagen und hat die Freude an ihrem Job verloren. Sie stellt sich nun die Frage, ob sie der Branche treu bleiben soll oder den Schritt in eine neue berufliche Richtung wagen soll.
So unterschiedlich die Ausgangslage meiner beiden Klient*innen ist, so verbindet sie ihre berufliche Unzufriedenheit und die Ungewissheit, ob sie auf dem richtigen Weg sind.
So wie viele meiner Klient*innen nahmen sich Markus und Claudia im Coaching zum ersten Mal bewusst Zeit, sich mit ihrer eigenen Biografie, ihren Werten, Stärken und Begabungen sowie Interessen auseinanderzusetzen.
Die Beispiele von Markus und Claudia veranschaulichen, wie unterschiedliche Faktoren sich auf die Arbeitszufriedenheit und langfristig auch auf die Gesundheit negativ auswirken können.
Oftmals erkennen meine Klient*innen, dass sie Unterstützung benötigen, und versuchen zunächst, sich im Familienumfeld und im Freundeskreis Rat und Hilfe zu holen. Doch meistens ist das Naheverhältnis eher hinderlich als förderlich, da die objektive Sichtweise fehlt und gutgemeinte Ratschläge oft nicht als Rat, sondern als Schlag wahrgenommen werden.
Der Weg ins Coaching ist bei Männern, besonders bei Führungskräften, öfter mit einer Hürde verbunden als bei ihren weiblichen Kolleginnen, denn gerade männliche Führungskräfte sind geprägt von der Einstellung „Ich komme allein zurecht und brauche keine Hilfe!“, „Ich darf keine Schwäche zeigen!“ oder „Ich muss immer Haltung bewahren!“. Diese inneren Antreiber werden bereits im Kindesalter durch die Erziehung entwickelt und verfestigen sich mit den Jahren. Weibliche Klientinnen sind ihren männlichen Kollegen bei dem Schritt, Hilfe von einem professionellen Coach in Anspruch zu nehmen, oft weniger zögerlich.
Für jede Veränderung – sei es eine neue Sichtweise auf das Problem oder die Entscheidung für eine berufliche Veränderung – braucht es eine Kombination aus Mut, Entschlossenheit und dem Glauben an sich selbst. Veränderungen sind meistens mit einem Kraftakt verbunden – der Sprung aus dem Goldfischglas stellt ein nicht einschätzbares Risiko dar, was zur Folge hat, dass viele diesen Sprung nicht wagen, sondern in ihrer Unzufriedenheit verharren und versuchen, sich mit ihrer Situation zu arrangieren, anstatt sich auf eine Veränderung einzulassen. Manchmal braucht es aber gar nicht den großen Sprung, sondern oft reichen ein anderer Fokus, eine neue Betrachtungsweise der Situation und kleine Veränderungen in seinem eigenen Verhalten, die eine spürbare Verbesserung der Situation bewirken und sich positiv auf die Motivation und auf die Arbeitszufriedenheit auswirken.
In genau dieser Situation ist Coaching eine wertvolle Unterstützung, da es zur Lösungskompetenz und Entscheidungsstärke beiträgt: Im Coaching werden durch den Einsatz kreativer Tools neue Perspektiven und Möglichkeiten aufgezeigt und die Klient*innen erarbeiten Lösungen und gewinnen Strukturen, um aus ihrem Problemkreislauf auszusteigen, sozusagen aus dem Goldfischglas zu springen.
Markus hat sich dazu entschlossen, das Unternehmen nicht zu verlassen, sondern hat stattdessen mit seinem Arbeitgeber neue Rahmenbedingungen ausgehandelt, die mehr Flexibilität zulassen: Er hat seine Selbstführung verbessert, sein Team neu aufgestellt, Strukturen, Prozesse und Zuständigkeiten verändert und dadurch seine Prioritäten neu gesetzt.
Claudia hat sich dazu entschlossen, ihren Arbeitgeber zu wechseln, doch der Branche treu zu bleiben. Sie arbeitet heute in einem familiengeführten Hotelbetrieb in einer ähnlichen Position, führt ein kleineres Team als zuletzt, kommt mit ihrer neuen Chefin gut zurecht und hat weniger Stress. Ihre Begeisterungsfähigkeit und Freude im Job hat sie wiedergefunden.
Markus hat vier Coaching-Einheiten in Anspruch genommen, Claudia sieben Coaching-Einheiten und Unterstützung beim Bewerbungsprozess.
Beispiele aus der Coaching-Praxis